Archipel bleibt hinter seinem Potenzial zurück / Chinesen verstärken ihr Engagement / Von Roland Rohde
Jakarta (GTAI) – Im Vergleich zu anderen rohstoffreichen Ländern wie Brasilien oder Russland kann Indonesien mit einem Wirtschaftswachstum von 5 Prozent brillieren. Trotzdem ist die Regierung unzufrieden, denn sie peilt eigentlich einen Wert von 7 Prozent an. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste sie vor allem ihre protektionistische Politik ändern. Doch danach sieht es nicht aus. Der Außenhandel erlebt 2017 nach Jahren des Rückgangs einen kräftigen Aufschwung. Davon könnten auch deutsche Firmen profitieren.
Wirtschaftsentwicklung: Das neue Normalwachstum liegt bei 5 Prozent
Indonesiens Präsident Joko Widodo beabsichtigte bei seinem Amtsantritt Ende 2014, das Wirtschaftswachstum seines Landes bis spätestens 2019 auf 7 Prozent zu steigern. Vor allem der beschleunigte Ausbau der veralteten Infrastruktur sollte ein Konjunkturfeuer entfachen. Doch in dem Archipel haben Pläne einen eher empfehlenden, unverbindlichen Charakter. Und so kam alles anders.
Der Verfall der Weltmarktpreise für Bodenschätze setzte dem rohstoffreichen Archipel schwer zu. Die Exporte brachen ein und die Regierung verfolgte – um die Handelsbilanz nicht ins Minus rutschen zu lassen – eine zunehmend protektionistische Politik. Diese vergraulte wiederum ausländische Kapitalgeber. Schließlich blieben nicht wenige Infrastrukturprojekte im Bürokratiesumpf stecken.
Im Jahr 2015 fiel das reale Wirtschaftswachstum auf 4,9 Prozent, dem zweitniedrigsten Wert der letzten anderthalb Jahrzehnte. Doch seitdem geht es ganz langsam bergauf. So legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2016 um 5 Prozent zu. Für 2017 erwarten die Asian Development Bank (ADB) und die Singapurer DBS Bank ein Plus von 5,1 Prozent. Erst ab 2018 soll sich der Aufschwung etwas beschleunigen. Die Prognosen gehen von einem Wert zwischen 5,3 und 5,4 Prozent aus.
Das neue Normalwachstum pendelt sich damit wohl bei gut 5 Prozent ein. Viele langfristige Prognosen müssen damit nach unten korrigiert werden. Denn sie waren von 7 Prozent für die nächsten Jahrzehnte ausgegangen. Noch Anfang 2017 hatte Widodo davon gesprochen, dass Indonesien bis 2045 zur weltviertgrößten Volkswirtschaft aufsteigen werde. Angesichts solcher Vorhersagen ist Skepsis angebracht.
Unterm Strich sind 5 Prozent Wachstum aber immer noch ein Erfolg. Andere rohstoffreiche Länder wie Brasilien, Russland oder Südafrika wären froh, wenn sie solche Werte erzielen könnten. Daher bleibt Indonesien ein attraktiver Zukunftsmarkt, in den vor allem asiatische Kapitalgeber jedes Jahr viele Milliarden US-Dollar investieren.
MKT201710208005.14
Der Konsum steuert laut nationalem Statistikamt BPS traditionell zu fast zwei Dritteln zur BIP-Verwendung bei. Es wird vergleichsweise wenig investiert, vor allem weil die industrielle Basis recht klein ausfällt. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung lag im 1. Halbjahr 2017 bei lediglich gut 20 Prozent. Sieben Jahre zuvor waren es noch knapp 23 Prozent gewesen.
Dabei könnte Indonesien mit seinem großen und billigen Arbeitskräftepool lohnintensiven Industriesparten, die etwa aus dem immer teurer werdenden China abwandern, eine attraktive Heimat bieten. Doch eine aktive Ansiedelungspolitik findet nicht statt. Damit verpasst das Land eine Riesenchance, zumal die Arbeitslosenrate einschließlich Unterbeschäftigung bei schätzungsweise 60 bis 70 Prozent liegt.
Indonesier sind im Durchschnitt nicht nur wenig produktiv tätig, sondern auch schlecht ausgebildet. Der Ausbildungsstandard der Bevölkerung verharrt auf einem Niveau, das nach Angaben von Experten eher dem eines armen afrikanischen Landes als dem einer asiatischen Schwellennation entspreche. Besserung sei mittelfristig nicht in Sicht.
Wirtschaftliche Eckdaten Indonesien
Indikator |
2015 |
2016 |
Vergleichsdaten Deutschland 2016 |
BIP (nominal, Mrd. US$) |
856,9 |
930,7 |
3.480,2 |
BIP pro Kopf (US$) |
3.374,5 |
3.605,1 |
42.188 |
Bevölkerung (Mio.) |
255,5 |
258,7 |
82,5 |
Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 US$ = IDR) |
13.457 IDR |
13.330 IDR |
Quellen: BPS, Statistisches Bundesamt
Investitionen: Chinesen verstärken ihr Engagement
Seit 2014 halten sich die Unternehmen mit Investitionen zurück. Einerseits hatte sich die Konjunktur gegenüber den Boomjahren 2010 bis 2012 (mit Wachstumsraten von jeweils über 6 Prozent) abgekühlt. Andererseits fehlten Branchen wie dem Bergbau und dem Erdöl- und Gassektor angesichts niedriger Weltmarkpreise für Bodenschätze das Geld, um dringend notwendige Anschaffungen zu tätigen. 2017/18 dürften aber einige Firmen vor dem Hintergrund der leicht verbesserten gesamtwirtschaftlichen Lage und der Erholung der Rohstoffpreise zurückgestellte Investitionen nachholen.
Laut nationaler Investitionsbehörde BKPM stammen traditionell zwei Drittel aller getätigten Direktinvestitionen aus dem Ausland. Im Jahr 2016 beliefen sich die entsprechenden Zuflüsse auf umgerechnet 29 Milliarden US$. Die Zahl ist aber mit Vorsicht zu genießen, da die Verantwortlichen die Kapitalströme gerne überzeichnen.
Besonders aktiv sind Kapitalgeber aus Japan und – seit ein paar Jahren – der VR China. Die deutschen Direktinvestitionen haben sich 2016 gegenüber dem Vorjahr auf mehr als 130 Millionen US$ verdoppelt. Im 1. Halbjahr 2017 lagen sie bereits bei mehr als 180 Millionen US$.
Ausgewählte Großprojekte in Indonesien
Projektbezeichnung |
Investitionssumme (Mio. US$) |
Projektstand |
Anmerkung/Ansprechpartner |
National Capital Integrated Coastal Development |
44.000 |
Vorübergehender Baustopp; Gesamtverwirklichung fraglich |
Bau einer Staumauer, eines Frischwasserbassins und eines komplett neuen Stadtviertels an der Küste vor Jakarta |
Pertamina |
41.000 bis 49.000 |
Baubeginn an 2 Raffinerien 2016, Inbetriebnahme 2021; Restliche Raffinieren Inbetriebnahme bis 2025 |
Ausbau von fünf bestehenden Raffinerien; Neubau von zwei oder drei neuen Raffinerien |
Trans-Sumatra Toll Road |
26.000 |
Teilweise im Bau; Fertigstellung der Gesamtstrecke bis 2029 |
2.700 km lange Autobahn auf Sumatra |
Jakarta-Surabaya Rail |
6.000 bis 7.500 |
In Planung |
Modernisierung der bestehenden 700 km langen Eisenbahnstrecke; Finanzierung und Bau durch Japan |
Telkomsel |
6.000 |
Im Bau |
Ausbau der 4G-Netze 2017 bis 2019 |
Jakarta-Bandung Highspeed Rail |
5.900 |
Im Bau |
140 km lange Hochgeschwindigkeitsbahn; Finanzierung und Bau durch VR China |
Tanjung Priok, Hafen Kalibaru |
5.900 |
Im Bau, sukzessive Fertigstellung bis 2023 |
Ausbau des Containerhafens bei Jakarta auf 20 Mio. TEU Kapazität |
Batang Power Plant |
4.000 |
Im Bau |
2.000-MW-Kohlekraftwerk; Finanzierung und Bau durch Japan |
Soekarno-Hatta Airport, Jakarta |
2.000 |
Im Bau; Inbetriebnahme bis 2020 |
Bau einer 3. Landebahn und zwei neuer Terminals |
Quellen: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen
Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten unter http://www.gtai.de/Indonesien, „Ausschreibungen“ und „Entwicklungsprojekte“.
Konsum: Verbraucher schauen sehr positiv in die Zukunft
Der Konsum ist die mit Abstand wichtigste Konjunkturstütze. Er wuchs in der Vergangenheit stets um real 5 Prozent per anno. An dieser Dynamik dürfte sich künftig kaum etwas ändern. Denn die Verbraucher – das ergeben Umfragen – sind optimistisch. Dem Roy Morgan Institute zufolge erwartete im Juli 2017 eine überwältigende Mehrheit (92 Prozent), dass sich die gesamtwirtliche Situation in den nächsten fünf Jahren spürbar verbessern werde. Wer positiv in die Zukunft schaut, dem sitzt in der Regel auch das Geld locker in der Tasche.
Analysen der Zentralbank zeigen, dass im Durchschnitt etwa zwei Drittel der Haushaltsausgaben auf Nahrungsmittel und Bekleidung entfallen. Die wachsende Mittelschicht kauft daneben noch Mobiltelefone und elektronische Haushaltsgeräte. Hochwertige westliche Produkte finden aber nur wenige Abnehmer, auch weil die Behörden deren Importe behindern und verteuern.
Die Konsumgütereinfuhren beliefen sich 2016 laut BPS lediglich auf 12 Milliarden US$. Das entsprach im Vergleich zu den Gesamtimporten einer Quote von lediglich 9 Prozent. Immerhin stiegen sie um fast 14 Prozent gegenüber 2015. In den ersten drei Quartalen 2017 wuchsen sie noch einmal um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Außenhandel: Exporte und Importe legen 2017 kräftig zu
Zwischen 2011 und 2016 waren die Güterausfuhren gemäß BPS von über 200 Milliarden auf 144 Milliarden US$ geschrumpft. Doch in den ersten drei Quartalen 2017 legten sie um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Bis Dezember ist mit einem Wert von 165 Milliarden bis 170 Milliarden US$ zu rechnen. In diesen Zahlen spiegelt sich vor allem der Wiederanstieg der Weltmarktpreise für Rohstoffe wider. So bestehen die indonesischen Exporte überwiegend aus Erdgas, Kohle, Erzen, Palmöl oder Kautschuk.
Die Einfuhren setzten sich vor allem aus industriellen Vorprodukten (wie Kunststoffen, Stahl, Chemikalien, Elektrotechnik, aber auch Tierfutter und Getreide) sowie Maschinen zusammen. Nach Jahren des Rückgangs legten sie zwischen Januar und September 2017 um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Sie dürften bis zum Jahresende einen Wert von 150 Milliarden bis 155 Milliarden US$ erreichen.
Deutschland lieferte 2016 Waren im Wert von gut 3 Milliarden US$ in die Inselrepublik. Dabei handelt es sich um einen äußerst niedrigen Wert. Gemäß dem statistischen Bundesamt exportierte Deutschland 2016 doppelt so viele Waren ins kleine Malaysia. Im Jahr 2017 dürften die indonesischen Einfuhren „made in Germany“ auf rund 3,4 Milliarden US$ zulegen.
Außenhandel Indonesiens (in Mio. US$; Veränderung in %)
|
2015 |
2016 |
Veränderung 2016/2015 |
Importe |
142.694,8 |
135.650,7 |
-4,9 |
Exporte |
150.366,3 |
144.433,5 |
-4,0 |
Handelsbilanzsaldo |
7.671,5 |
8.782,8 |
14,5 |
Quelle: BPS
Weitere Informationen (zum Beispiel SWOT-Analyse, Branchenberichte) finden Sie unter http://www.gtai.de/Indonesien
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IndonesienAußenwirtschaft, allgemein, Wirtschaftslage, -entwicklung, allgemein, Sozialprodukt / Volkseinkommen / BIP / BSP, Investitionen (Inland), Investitionsklima, allgemein, Konjunktur, allgemein, Konsum / Konsumentenverhalten, Produktion / Produktivität.